Eine alte und eine neue Geschichte.
Als wir vor zwei Jahren von Berlin nach Kopenhagen radelten, kamen wir durch viele schnuckelige, dänische Ortschaften, unter anderem auch durch
Stubbekøbing.
Stubbekøbing war das Ende einer Tagesetappe und am Folgetag setzten wir mit einer kleinen Fähre von Falster nach Bogø über. Der Ort wirkte wie ein Boots-Kapitän in Altersteilzeit: die besten Zeiten des Hafens und die damit verbundene Industrie lagen in der Vergangenheit, viele Häuser standen leer, Menschen sah man nur wenige. Die Blumen in den Beeten vor den Häusern wucherten bis über die Fenster, hier bemühte man sich mit einem großzügig angelegten Park das Beste daraus zu machen, dort drehten ein paar Jugendliche mit ihren in Handarbeiten modifizierten Autos ein paar Ründchen.
Als willkommene Alternative zur eigenen Küche in Gestalt des Campinggas-Kochers, suchten wir eine Pizzeria auf; zwei standen zur Auswahl, direkt gegenüber. Die eine menschenleer, in die andere konnte man von der Straße nicht hineinsehen.
Wir wählten das einsichtige Restaurant und unsere Bestellungen wurden von einer eben so jungen wie lethargischen Bedienung mit arabischem Einschlag aufgenommen.
Da wir beide kein Dänisch sprechen und kein Wörterbuch dabei hatten, kicherten wir schon ein wenig, als wir uns zu exotisch klingenden Belägen hinreißen ließen: no risk, no fun. Als der freundlich lächelnde Herr Papa die beiden Teigrunde dem Töchterchen zur Auslieferung übereignete, erhielt fr.gross eine Pizza mit viel, viel Schinken oben drauf und ich eine mit Ei und Pølser. Als ich sah, was Pølser sind, wusste ich, dass ich beim dänischen Roulette verloren hatte. Würstchen, so wie stinknormale Wiener. Während der ersten Hälfte übertönte der Hunger ganz klar bei der geschmackliche Unzulänglichkeiten, danach wurde es Arbeit.
Selbst fr.gross, die sonst im Lokal immer ganz austausch-freudig ist ("Willst Du mal probieren?" heißt "Ich will Deines probieren"), hielt sich diesmal etwas zurück. Das getauschte Anstandsstück wechselte eher aus Mitleid, denn aus aufrichtigem Interesse den Teller.
Zu guter Letzt verschwand die Ei-Pølser-Pizza trotzdem ohne größere Zwischenfälle in meinem Bäuchlein.
Seitdem ist Pølser bei uns ein geflügeltes Wort (obwohl ich mir nicht sicher bin, ob es immer Geflügel sein muss) und findet stets Verwendung, wo es passt; und auch an anderer Stelle.
Wieso ich nach fast zwei Jahren von Pølser-Pizzas schreibe?
Letzten Samstag lagen wir, so wie es das Gehirnwäsche-Diktat verlangt, auf dem Kanapee und glotzen in die Glotze. Nachdem fr.gross, die gelegentlich mit einem Filmwunsch vor den Bildschirm bittet, mit großer Wahrscheinlichkeit nach einer halben Stunde die Äuglein schließt und mit gleichmäßiger Atmung beruhigend auf mich einwirkt, schalte ich rasch auf die Öffentlichen um und bleibe meist bei diversen Reportagen und Dokus hängen. An diesem Abend lief auf ZDFneo
Paul Merton in China, der unter anderem bei einer Partnervermittlung, bei der Eltern untereinander geeignete Lebensgefährten für ihre Kinder suchten, seinen Marktwert herauszufinden versuchte.
Mit einem mal, ich schmunzele mit kaum wahrnehmbaren Gluks- und Grunzgeräuschen vor mich hin, hebt fr.gross leicht den Kopf und fragt aus dem Schlaf heraus, ob es da Pølser-Pizza gäbe.
Ab da war unser Gluksen und Grunzen deutlich zu hören.
Und die Moral von der Geschicht?
Gerade die nicht immer perfekten Momente im Leben bergen viel Würze. Und ab und zu auch mal ein Pølser.
...einsames Gluksen und Grunzen nachts um 00:35 h vorm Laptop...
Gute Nacht!