Hilfe, mein Mann!
Wer kennt das nicht, dass man bei häufigem Ortswechsel manchmal aufwacht und einen kurzen Moment der Orientierungslosigkeit erlebt, in dem man angestrengt überlegen muss, wo man sich gerade aufhält. So auch an diesem Wochenende in Ingolstadt.
Aber ich greife vor...
Die Geschichte beginnt mit des Deutschen Lieblingskrankheit, Rücken. War er bei mir die letzten Jahre erfreulich unauffällig, setzten ihm wohl die Monate der absoluten Unsportlichkeit in Indien und dem daran anschließenden Winter ein wenig zu. So fängt er bisweilen mehr oder weniger stark zu murren an, muss er längere Zeit still stehen.
Am vergangenen Sonntag früh beschlossen wir, in Ingolstadt die Museums-Ausstellung "Vom Tatort ins Labor" zu besichtigen. Und da Museumstag war, gab es Eintritt und Führung kostenlos. Die Ausstellung beschäftigte sich mit dem Beruf des Gerichtsmediziners und wollte mit den aus Krimis und diversen Fernsehserien hervorgehenden Klischees zum Thema aufräumen. Die Chefin des medizinhistorischen Museums Ingolstadt führte die Besucher sehr kurzweilig durch den ersten Teil der Ausstellung, in dem die drei Haupt-Arbeitsplätze des Gerichtsmediziners anhand eines konstruierten Falles veranschaulicht wurden: Tatort, Labor und Gericht.
Die Ausstellung fand im Turm Triva statt, einem ehemaligen Festungsbau mit ovalem Grundriss. Die Räumlichkeiten des Gebäudes umschließen umlaufend den Innenhof und bieten zur Außenseite hin Schießscharten für die Kanonen. Entsprechend schlängelte sich die Ausstellung etwas beengt im Uhrzeigersinn durch das Gemäuer.
Bei jeder der drei Stationen (Tatort, Labor und Gericht) versammelte sich die recht große Zuhörerschaft und lauschte gebannt den Ausführungen der Leiterin. Da das Stehen an diesem Morgen mir besonders zu schaffen machte, nutzte ich Sitzgelegenheiten, wo möglich. Als wir gerade die dritte Station verlassen, den Schaukasten mit den realen Mordwaffen passiert hatten (u.a. ein stark verbogenes Küchenmesser -"da muss der Mörder auf Knochen gestoßen sein"- oder eine billige Baumarktsäge mit nicht näher spezifizierbaren, organischen Faserresten), erklärte die Museumsleiterin, wie der zweite Teil der Ausstellung konzipiert war. Beim ersten Beispiel des zweiten Teils handelte es sich um die Todesart Verkehrstod. Es gab z.B. Feuchtpräparate von Schädel-Hirn-Traumata, bei denen durch Hirnblutungen der Schädelinnendruck auf ein tödliches Niveau anstieg.
Ehrlich gesagt, konnte ich wegen meiner Rückenschmerzen den Ausführungen zu dem Foto eines Unfallopfers, welches von einem LKW überrollt wurde gar nicht so genau folgen, bekam nur noch mit, dass man anhand der Reifenprofilabdrücke auf dem Opfer ganz gut das Fahrzeug identifizieren könnte.
Die Rückenschmerzen, die stickige Luft, möglicherweise die beengte Situation mit den vielen Menschen, vielleicht auch die doch teilweise recht makaberen Original-Stücke und -Fotos bringen mich zum Anfang meiner Geschichte zurück.
Man wacht auf, träumt gerade noch ein wenig, hört jede Menge Stimmen durcheinander reden, versteht aber nicht was gesagt wird; man fängt zu blinzeln an, sieht lauter fremde Gesichter über sich gebeugt. So, jetzt aber erst mal richtig aufwachen und aufstehen. Doch Moment, das hatten wir heute schon. Ach so, wir waren im Museum. Schlagartig schreckte ich hoch, erinnerte mich noch, dass ich fr.gross darauf hinwies, dass mir gerade etwas schwindelig würde und dass ich mich jetzt in einer für einen Museumsbesuch etwas untypischen, horizontalen Lage befand. Die vielen Gesichter, die in nun für mich verständlichen Zungen sprachen, beruhigten, ich solle erst mal liegen bleiben. Nachdem es natürlich etwas exzentrisch ist, sich während der Führung auf den Boden zu werfen, rechtfertigte ich das noch halb im Delirium mit den Rückenschmerzen. Und als noch ein Quäntchen mehr Blut von den durch freundliche Fremde hochgehaltenen Füßen in meinen Kopf gelaufen war, ulkte ich gleich, dass ich nur etwas Spannung in die Führung bringen wollte. fr.gross meinte jedoch später, dass mein Späßchen niemand mitbekommen habe. Sehr bedauerlich.
Die Leiterin erkundigte sich, ob ich vielleicht das Frühstück ausgelassen hätte, da dies bei jüngeren Menschen häufiger zu Kreislaufproblemen führe. Aber ohne Frühstück das Haus verlassen war für mich noch nie eine Option.
Wir setzten uns erst mal in den Innenhof an die frische Luft und fr.gross holte mir vom Museums-Laden eine Cola und einen Kinderriegel und ein Hanuta. Nachdem auch fr.gross sich wieder beruhigt hatte, erzählte sie mir, was passiert war: nach meinem Hinweis auf Schwindelgefühle meinerseits, nahm ich eine etwas unnatürliche Handhaltung und einen ungesunden Blick ein und sackte langsam (ich lehnte wegen des Rückens eh schon an der Wand) in mich zusammen. fr.gross in ihrem Schreck, rief erst mal "Hilfe, mein Mann!", was dazu führte, dass ebenso viele Helfer die mich sanft zu Boden begleiteten, sich um fr.gross' Nervenkleid kümmerten.
Nachdem ich die Cola und fr.gross die Schokolade verputzt hatten, machten wir uns gemütlich auf den Heimweg, den härteren Teil der Ausstellung auslassend.
Es wäre wohl unpassend gewesen, wenn ich mich neben jedem, der gruseligen Exponate erst mal hingelegt hätte.
Den restlichen Tag hatten wir viel zu feixen, vor allem wiederholte ich immer und immer wieder "Hilfe, mein Mann!", was wie ich finde ein schöner Hilferuf ist.
Im Nachhinein wunderte ich mich, dass fr.gross diesen Ausruf nicht schon früher in der Öffentlichkeit verwendet hatte.
Verständnis hätte ich gehabt.
lolz!!! (<= sagt man so heutzutage.)
wieviel Gage war denn für die reife Einlage drin? ;-)
jetzt verstehe ich auch die Anspielung auf die Gummibärchenfarbe.
Lolz?! Ich glaube ich leg' mich erst mal hin. ;-)
Gage gab es keine. Nur die Cola, die fr.gross mit meinem Geldbeutel holte.
eh, hier sind die Besserwisser : Lolz ist ein Heilpraktiker!
ja, hätten Sie evtl nötig gehabt :-)