Gedanken zur Kommunalwahl
Die Briefwahl birgt hier in Bayern eine Vielzahl formaler Fallstricke: man hat ein Kuvert in das die Stimmzettel kommen; das (verschlossene, Original-)Kuvert kommt dann mit dem unterschriebenen Wahlschein in ein zweites Kuvert. Alles schön unübersichtliche Vordrucke, wo man gar keinen richtigen Überblick hat, was Sache ist. Das führt vorneweg zu bestimmt 2% ungültiger Stimmen, aufgrund formaler Fehler.

Bei Gemeinderats- oder Kreistagsswahlen hat man so viele Stimmen wie es es im jeweiligen Gremium Sitze gibt, die man ggf. alle einzeln vergeben kann. Die Anzahl derer, die einfach nicht bis 24 oder 70 zählen können, ist gar nicht so klein. Ein digitales Wahlverfahren könnte auch hier die Anzahl gültiger Stimmen deutlich erhöhen, indem nur die finale Abgabe eines gültigen Wahlscheins möglich ist.

Ich mag niemandem zu nahe treten, aber das "Vieraugenprinzip" zur Verhinderung von Mauschelein ist ein Witz. Wenn sich in einem Auszählteam welche einig sind, was das richtige Ergebnis ist, kann man ohne Probleme ein bisschen optimieren. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass ich nichts dergleichen mitbekommen habe (allerdings lässt nach zig Stunden Auszählen in der Mitte der Nacht bei vielen Helfern, die nicht unbedingt immer aus dem Bereich "Bürotätigkeiten" kommen, die Konzentration nach und die Auszählgenauigkeit leidet). Da sehe ich bei einem digitalen System nicht unbedingt ein größeres Risiko hinsichtlich Einflussnahme.

Beim Kreistag schlägt bei vielen der Lokalpatriotismus durch: gewählt wird jeder, der aus dem eigenen Kuhdorf kommt, unabhängig von der Partei. So sah ich gestern Unmengen an Zetteln, wo die Leute CSU, Grüne, SPD, AfD, Linke und Sonstige gleichermaßen gewählt haben. Was ist das für ein Politikverständnis? Befremdend.

Es ist ein bisschen befriedigend, wenn man selbst als No-Name deutlich mehr Stimmen als der AfD-Spitzenkandidat bekommt.




kristof am Mo, 16.03.2020, 14:30  |  Permalink
Interessant, danke für die Einblicke. Von digitaler Wahl bin ich dennoch nicht überzeugt. Allein, den Wahlzettel durch phantasievolle Kritzeleien ungültig zu machen, empfinde ich als Bereicherung.

hr.gross am Di, 17.03.2020, 09:10  |  Permalink
Bei den von mir ausgezählten Scheinen gab es leider, außer scheinbar nach Lotto-System ausgefüllte Wahlscheine- keine bemerkenswerten Vorkommnisse.
Was für Kritzeleien haben Sie im Sinn? Verschmähung des politischen Gegners?

kristof am Di, 17.03.2020, 19:58  |  Permalink
Eigentlich meine ich die grundsätzliche Möglichkeit des Ungültigwählens. Ich weiss nicht, ob das bei elektrischen Wahlen vorgesehen ist.
Und wenn man das macht, dann sind ein paar hübsche, phantasievolle Kritzeleien nett um zu zeigen, daß man nicht etwa zu blöd zum wählen ist.

hr.gross am Di, 17.03.2020, 21:19  |  Permalink
Vielleicht können Sie dann ja mit der Maus was Schönes malen. Könnte dann beim Autohasser so aussehen:


texas-jim am Mi, 18.03.2020, 08:49  |  Permalink
Ich bin ja für ein separates Kästchen "Ungültige Wahl", wenn mir keiner der Kandidaten zusagt. Damit könnten diese Stimmen gezählt und von denen leicht unterschieden werden, die der Wahl einfach fernbleiben. Im nächsten Schritt würde ich dieser Fraktion gern die ihr zustehenden leeren Sitze zuordnen.
Wenn ich schon dabei bin, würde ich gern die "Gegenstimme" einführen. Damit könnte man einem Kandidaten / einer Partei eine Stimme abziehen, hat aber dann keine mehr übrig, um jemand anderen zu wählen (sonst hätte man ja zwei Stimmen). Wem es also nur darum geht, daß bestimmte Personen/Parteien nicht in ein Parlament kommen, der kann das so kundtun.
Ich denke, das würde die Legitimation erhöhen, da nicht mehr so viel über die tatsächlichen Intentionen der Wähler herumvermutet werden muss wie bislang.
(Interessant dazu der DLF Hörsaal zu Meritokratien und Plutokratien vom letzten Wochenende.)

hr.gross am Sa, 21.03.2020, 10:56  |  Permalink
Ich ahnte nicht, dass es ein so großes Bedürfnis zum Ungültigwählen gibt. Das mit den Negativstimmen klingt für mich nach großem Mist: was machen Sie, wenn alle nur noch Negativstimmen vergeben? Gewinnt dann der mit den wenigsten Dislikes?

Wir haben uns dazu entschlossen selber zu machen, nicht zu motzen.

texas-jim am Sa, 21.03.2020, 12:08  |  Permalink
Ich wollte nicht über Ihr Engagement motzen, bitte entschuldigen Sie.

Mir geht es um die Grundidee, den Wählerwillen besser zu deuten, und das eben mit den möglichen Mitteln einer Wahl. Zwischen einer reinen Fraktions- oder Personenwahl und einer direkten Demokratie liegen ja noch viele Welten.

(Nachtrag: Es geht ja genau darum, daß keiner genau weiß, warum denn nun so viele Nichtwähler sind. Da könnte eine Möglichkeit zur Ungültigwahl mehr Klarheit bringen.)

hr.gross am Sa, 21.03.2020, 12:19  |  Permalink
Ich habe das nicht als Kritik aufgefasst (da muss man sich an einem Grünen Infostand ganz anderen Tobak anhören). Ich fürchte nur, dass Sie die Nichtwähler auch nicht zum ungültigwählen bewegen werden.
Und ja, direktere Bürgerbeteiligung als nur alle Schaltjahr ein Kreuz ist dringend erforderlich.